FAQ zu Andrew Taylor Still, dem Gründer der Osteopathie

Wer war Andrew Taylor Still

A.T. Still, die Autobiografie eines Genies

Hatte Andrew Taylor Still den Titel MD?

Der magnetische Heiler

Vom magnetischen Heiler zum Knochenbrecher

DO (Doctor of Osteopathy)

Quellensammlung zur Geschichte der Osteopathie

Geschichte der Osteopathie

A. T. Stills Autobiografie

Wer war Andrew Taylor Still?

Andrew Taylor Still, wurde am 6. August 1828 im Lee County, Virginia, als Sohn eines methodistischen Wanderpredigers, Abraham Still (1796–1867), geboren.

Diese sogenannten «Circuit Riders» waren Mitglieder der methodistischen Kirche, und reisten in den dünn besiedelten Gebieten zu Pferde von einer Kirche zur anderen. Sie waren für ihre furchterregenden Ansprachen bekannt mit denen sie das «Wort Gottes» verkündeten, man nannte sie auch »Söhne des Donners«.

Neben der des Predigers hatten sie auch die Aufgabe eines Arztes.
Das notwendige medizinische Wissen erwarben sie sich im Selbststudium aus Büchern wie dem Handbuch:

Stills Schulbesuche waren durch die Reisen seines Vaters eher sporadisch. Seine ärztliche Ausbildung erhielt er im «Lehrverfahren» von seinem Vater Abraham Still.
Andrew war wie sein Vater Autodidakt und hatte keinen Abschluss als MD oder Doctor erworben.

Trotzdem durfte er, auf Grund eines Erlasses von Präsident Andrew Jackson (1767–1845), der es auch Laien erlaubte, im Lehrverfahren das medizinische Handwerk zu erlernen und ausüben, als Arzt praktizieren.

Andrew sammelte, erlernte und praktizierte auf den Reisen mit seinem Vater und in den Missionen in denen dieser arbeitete, auch die manuellen Heilmethoden der Shawnee und die manuellen Techniken der nach Amerika ausgewanderten europäischen Bonesetter und Knochenbrecher Familien.

Nach 1870 fasste er diese manuellen Techniken sowie eine Reihe von damals populären esoterischen Methoden wie Mesmerismus, Magnetisieren, Phrenologie und amerikanischen Transzendentalismus mit dem philosophischen Überbau der Evolutionstheorie des Herbert Spencer zusammen, und unterrichtete dies unter dem Namen «Osteopathie».

Andrew Taylor Stills Autobiografie

Die Autobiografie eines Genies

Die Autobiografie von Andrew Taylor Still, dem Begründer der Osteopathie, ist sehr unterhaltsam und lehrreich, sie liefert interessante Einblicke in die Denkweise eines Genies, den Lebensalltag der Menschen während des amerikanischen Bürgerkrieges und das Leben der methodistischen Priester zu der Zeit. Sie ist für moderne Wissenschaftler allerdings eine Herausforderung.

Hier geht’s zur A. T. Stills Autobiografie

Sie ist eher amüssant geschrieben, es fehlt ihr die faktische Genauigkeit. Still präsentiert sich nicht als zuverlässiger Chronist seines eigenen Lebens oder der Entwicklung seiner Heilmethode.

Er verwendet Metaphern statt harter Fakten und macht widersprüchliche Angaben. Zum Beispiel behauptet er, den Begriff «Osteopathie» bereits 1874 eingeführt zu haben, obwohl dieser erst Ende der 1880er oder 1890 entstand.

Daher ist es schwierig, ein genaues Bild von der Entstehung der Osteopathie und der Bezeichnung «DO» (Doctor of Osteopathy) zu erhalten.

Hatte Andrew Taylor Still den Titel MD?

Welche Bedeutung hat der Titel MD in der Osteopathie?

Die Frage, ob Andrew Taylor Still, der Begründer der Osteopathie, tatsächlich einen medizinischen Abschluss (MD) hatte, ist umstritten und komplex. Still durfte auf Grund eines Erlasses von Präsident Andrew Jackson (1767–1845), der es auch Laien erlaubte im Lehrverfahren das medizinische Handwerk zu erlernen und ausüben zu dürfen, als Arzt praktizieren. In seiner Autobiografie und anderen Äußerungen war er absichtlich vage über seine medizinische Ausbildung. Historische Dokumente und Zeugenaussagen, einschließlich eines Gerichtsverfahrens in den 1880er Jahren, in dem er wegen Praktizierens ohne Lizenz angeklagt wurde, bieten widersprüchliche Informationen. In diesem Verfahren behauptete Still, er habe sein Diplom verloren und die Schule, an der er studiert hatte, sei im Bürgerkrieg abgebrannt.

In einem anderen Fall aus dem Jahr 1899 konnte Still nicht den Namen seiner Alma Mater oder das Jahr seines Abschlusses nennen. In einem Briefwechsel mit dem Herausgeber des Ladies Home Journal im Jahr 1907 gab Still an, er habe die medizinische Fakultät in Kansas City besucht, aber aufgrund des hohen Alkohol- und Drogenkonsums dort keinen Abschluss gemacht. Diese Angabe wurde jedoch von anderen als unglaubwürdig eingestuft, insbesondere weil die genannten medizinischen Schulen in Kansas City erst 1869 gegründet wurden, Jahre nachdem Still behauptete, dort studiert zu haben.
Die Frage nach Stills formaler medizinischer Ausbildung ist nicht nur aus historischen Gründen relevant, sondern auch für die aktuelle Identität und Praxis der Osteopathie. Die American Osteopathic Association bezeichnet Still in ihren Veröffentlichungen als «Andrew Taylor Still, MD, DO», obwohl es keine klaren Beweise für seinen MD-Titel gibt. Dies ist problematisch, da der MD-Titel spezifische akademische Qualifikationen impliziert, die Still möglicherweise nicht hatte. Zudem steht diese Praxis im Widerspruch zur langjährigen Rechtsposition der Association, dass der MD-Titel nicht einfach ein Synonym für einen lizenzierten Arzt ist, sondern einen spezifischen akademischen Grad darstellt, der nicht mit dem DO-Titel austauschbar ist.
Insgesamt wirft die Unklarheit über Stills medizinische Qualifikationen Fragen auf, die für die Identität und die berufliche Anerkennung der Osteopathie relevant sind. Sie betrifft auch die Debatte darüber, welche akademischen Grade osteopathische Schulen vergeben sollten und wie Osteopathen sich selbst identifizieren und ihre Qualifikationen bewerben sollten.

Der Magnetische Heiler

War Andrew Taylor Still ein Magnetische Heiler?

A.T. Still, der Begründer der Osteopathie, wandte sich nach dem Tod von drei seiner Kinder im Jahr 1864 von der traditionellen Medizin ab und suchte nach alternativen Heilmethoden. Obwohl viele glauben, dass die Entwicklung der Osteopathie geradlinig war, ist die tatsächliche Geschichte komplexer.

Als Andrew Taylor Still 1875 in Kirksville, Missouri, ankam, schaltete er folgende Anzeige in der Ausgabe der lokalen Zeitung «North Missouri Register» vom 11. März 1875:

AT STILL, MAGNETIC HEALER, Rooms in Reid’s building, South Side Square, over Chinn’s store. Office hours—Wednesday’s, Thursday’s, Friday’s, and Saturday’s from 9 a.m. to 5 p.m. with an intermission of one hour from 12 p.m. to 1 p.m.

In seiner Autobiografie erwähnt er nicht, dass er sich jemals als solcher bezeichnet hat, obwohl er tatsächlich Praktiken des magnetischen Heilens anwandte. Diese Heilmethoden waren eng mit Stills spirituellen Überzeugungen verbunden. Er war ein Spiritualist, der glaubte, dass die Lebenden mit den Toten kommunizieren können.

Magnetisches Heilen wurde von anderen zeitgenössischen Heilern, wie Andrew Jackson Davis, einem führenden amerikanischen Spiritualisten, befürwortet. Davis› Ansichten über Gesundheit und Krankheit ähnelten denen von Still. Beide glaubten an die Fähigkeit des Körpers, sich selbst zu heilen, und lehnten den Gebrauch von Medikamenten ab. Andere Anhänger des magnetischen Heilens betonten die Verwendung der Hände bei der Behandlung von Krankheiten, was Still später in seiner Osteopathie-Praxis übernahm.

In Kirksville war Still nicht der einzige Heiler. Paul Caster, ein bekannter «magnetischer Heiler» aus Ottumwa, Iowa, hatte bereits einen großen Kundenstamm und ein florierendes Geschäft aufgebaut. Es gibt Spekulationen über eine mögliche Beziehung oder Kommunikation zwischen Still und Caster, aber es gibt keine konkreten Beweise dafür. Einige behaupten, Caster habe Still behandelt und ihn ermutigt, seine eigene Praxis zu gründen, aber diese Behauptungen sind nicht belegt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Still, obwohl er als Begründer der Osteopathie bekannt ist, von anderen Heilmethoden und Überzeugungen beeinflusst wurde. Seine Annahme des magnetischen Heilens und seine spirituellen Überzeugungen spielten eine wichtige Rolle in seiner medizinischen Reise und der Entwicklung der Osteopathie.

Vom magnetischen Heiler zum Knochenbrecher

Andrew Taylor Still, the Lightning Bonesetter

Die Entwicklung der Osteopathie durch Andrew Taylor Still stellt ein interessantes, wenn auch problematisches Kapitel in der Geschichte der Medizin dar. Still, der seine Karriere als «magnetischer Heiler» begann, wandelte seine Praxis im Laufe der Zeit und wurde schließlich als «Lightning Bonesetter» bekannt. Diese Transformation wirft eine Reihe von Fragen auf, sowohl in Bezug auf die wissenschaftliche Validität seiner Methoden als auch auf die soziokulturellen Faktoren, die zu ihrer Akzeptanz beitrugen.

Zunächst ist es bemerkenswert, dass Still, trotz seiner späteren Distanzierung von «magnetischen Heilmethoden», seine Karriere in diesem Kontext begann. Die magnetische Heilung war eine Praxis, die weitgehend als pseudowissenschaftlich angesehen wurde. Dass Still diese Phase seiner Karriere in seiner Autobiografie weitgehend ausließ, könnte als Versuch interpretiert werden, die Legitimität der Osteopathie zu erhöhen, indem fragwürdige Anfänge verschleiert werden.

Darüber hinaus ist die Verschiebung von «Reibungstechniken» zu spezifischen Methoden des «Knochensetzens» problematisch. Während Still behauptete, dass seine Methoden auf anatomischem und physiologischem Wissen basierten, fehlte eine rigorose wissenschaftliche Überprüfung. Die medizinische Gemeinschaft der Zeit kritisierte die Praktiken der Knochensetzer oft als unwissenschaftlich, und dennoch berichteten einige Patienten von einer Verbesserung ihrer Symptome. Dies wirft Fragen nach der Placebo-Wirkung und der psychologischen Dimension der Heilung auf, die in der wissenschaftlichen Literatur nicht ausreichend behandelt wurden.

Die Ausbildung der ersten Schüler von Still, die von unterschiedlichem Bildungshintergrund und Fachwissen waren, erfolgte weitgehend durch Beobachtung und praktische Erfahrung, ohne standardisierte Ausbildung oder Prüfung. Dies stellt die Frage nach der Qualität der medizinischen Versorgung, die sie bieten konnten, und der wissenschaftlichen Grundlage ihrer Praktiken.

Schließlich ist es wichtig, die soziokulturellen Faktoren zu berücksichtigen, die zur Akzeptanz der Osteopathie beigetragen haben könnten. Still war zweifellos eine charismatische Persönlichkeit, und seine Praktiken wurden in einer Zeit populär, in der die konventionelle Medizin wenig effektive Behandlungen für eine Reihe von Krankheiten bot. Dies könnte dazu geführt haben, dass Patienten und Praktiker bereit waren, weniger konventionelle Methoden auszuprobieren, selbst wenn der wissenschaftliche Nachweis für ihre Wirksamkeit fehlte.

Insgesamt zeigt die Geschichte von Andrew Taylor Still die Notwendigkeit für rigorose wissenschaftliche Überprüfung in der Medizin und wirft Fragen nach der Ethik und Verantwortung von medizinischen Praktikern auf, die alternative Methoden anwenden oder fördern. Sie dient als Warnung vor der Gefahr der Akzeptanz medizinischer Praktiken ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage und betont die Bedeutung der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Grundlagen der medizinischen Disziplinen.

DO (Doctor of Osteopathy)

Andrew Taylor Still: Vom konventionellen Knochensetzer zu einem Pionier einer neuen medizinischen Philosophie

Die Behandlungsansätze von Andrew Taylor Still, dem Begründer der Osteopathie, waren in den Augen seiner Patienten weitgehend konventionell, wenn auch talentiert. Er behandelte vorwiegend chronische muskuloskelettale Beschwerden und erklärte seinen Erfolg damit, dass er «ausgerenkte Knochen» wieder in die richtige Position brachte. Mit der Zeit jedoch führte seine wachsende Erfahrung mit anderen Beschwerden, die nicht unmittelbar mit dem Bewegungsapparat in Verbindung standen, zu einer neuen, allgemeineren Auffassung von Gesundheit und Krankheit.

Still berichtet in seiner Autobiografie von einem Fall, der für seine intellektuelle Entwicklung von Bedeutung war. Eine irische Dame, die an schwerem Asthma litt, suchte ihn wegen Schulterschmerzen auf. Nachdem er ihre Wirbelsäule und einige Rippen justiert hatte, kehrte sie nach einem Monat ohne Schmerzen oder Asthmaanzeichen zurück. Dieser Fall führte zu einer neuen Denkrichtung in Stills Ansatz.

Unabhängig von der Art der Beschwerden, mit denen die Patienten zu ihm kamen, untersuchte Still systematisch ihre Wirbelsäulen. Dabei fand er oft «Hot Spots» und Stauungen, die er als Anzeichen einer strukturellen Fehlstellung deutete. Diese Erfolge führten ihn zu der Überzeugung, etwas Neues und Revolutionäres entwickelt zu haben. Er kombinierte Elemente der Prinzipien sowohl des magnetischen Heilens als auch des Knochensetzens zu einer einzigen kohärenten Lehre.

Die Benennung seiner Methode als «Osteopathie» ist ein weiterer interessanter Aspekt. Laut Hildreth, einem seiner Biografen, verwendete Still den Begriff bereits in den frühen 1880er Jahren. Diese Behauptung steht jedoch im Widerspruch zu früheren Aussagen, dass Still sein System vor 1885 nicht benannt hatte. Erst Anfang 1891 machte Still die Bezeichnung «Osteopathie» öffentlich bekannt.

In seinen Veröffentlichungen gibt Still unterschiedliche Darstellungen darüber, wie er den Begriff «Osteopathie» geprägt hat. Eine dieser Erzählungen deutet darauf hin, dass er bei der Namensgebung möglicherweise direkt oder indirekt von einem Konkurrenten oder Kollegen beeinflusst wurde, der in der Nähe praktizierte und ein Vertreter der «Vitapathie» war.

Am 1. Januar 1891 hielt Still seine «erste jährliche Ansprache an die Schüler der Osteopathie». In dieser Ansprache bezeichnete er sich als «A.T. Still, DO» – die erste bekannte öffentliche Verwendung dieser ungewöhnlichen Bezeichnung. Gleichzeitig war dies das erste Mal, dass er den Begriff «Osteopathie» öffentlich verwendete, um seine Philosophie und Praxis zu beschreiben.

Die Verwendung der Bezeichnung «D.O.» (Doctor of Osteopathy) durch Still in dieser Ansprache, einige Monate bevor er die erste Charta für die Gründung einer formellen Schule erhielt, deutet darauf hin, dass er bereits zu Beginn des Jahres 1891 entschieden hatte, welche Art von Diplom oder Grad er seinen zukünftigen Absolventen dieser neuen Wissenschaft der Osteopathie verleihen wollte.

Insgesamt zeigt die Entwicklung von Andrew Taylor Still, dass er sich von einem konventionellen Knochensetzer zu einem Pionier einer neuen medizinischen Philosophie entwickelte. Dabei vermischte er Elemente aus verschiedenen Heilmethoden und schuf eine eigene, wenn auch umstrittene, medizinische Disziplin. Die Benennung und die damit verbundenen akademischen Titel spiegeln die Ambitionen und das Selbstverständnis dieses ungewöhnlichen medizinischen Praktikers wider. Dennoch bleiben Fragen bezüglich der wissenschaftlichen Validität und der ethischen Implikationen seiner Methoden offen

Andrew Taylor Still, der Begründer der Osteopathie.

Andrew Taylor Still, der Begründer der Osteopathie. Das Foto wurde ca. 1874 aufgenommen.